Etablierung und Anwendung von Verfahren zur Erregeridentifizierung aus klinischen Proben basierend auf der Hochdurchsatz-Sequenzierung
Im Zusammenhang mit der SARS-CoV-2-Pandemie wurden zunehmend Antigen-Schnelltests eingesetzt. Diese werden anhand von Atemwegsmaterial (in der Regel Rachen-/Nasenabstrich) durchgeführt. Ursprünglich konzentrierten sich Erprobungen der Tests vor allem auf die Feststellung der Sensitivität, die sich häufig als unzureichend erwiesen hat. Darüber hinaus wird jedoch zunehmend deutlich, dass auch die Spezifität der Tests unzureichend ist, insbesondere in bestimmten Anwendungsfällen. In den Studien, in denen die Tests eingeführt wurden, wurden größtenteils gesunde Freiwillige als Kontrollgruppe verwendet und nicht Patienten mit anderen Atemwegserkrankungen.
Im Winter 2021/22 wurde eine große Anzahl unspezifischer reaktiver Tests beobachtet, die vermutlich auf Kreuzreaktivitäten zurückzuführen sind. In Kombination mit einer geringeren Prätest Wahrscheinlichkeit, also der Wahrscheinlichkeit, dass jemand, der getestet wird, tatsächlich infiziert ist, resultierte dies zu einer großen Anzahl falscher Ergebnisse. Kontrollierte Spezifitätstests gegen definierte Panels mit Materialien von Patienten mit ähnlicher Symptomatik sind derzeit für Zulassungen jedoch nicht erforderlich.
Neue Methoden zur Prüfung und Verbesserung von Diagnostika
Dies stellt eine Lücke der diagnostischen Qualitätssicherung dar, die angesichts der erwarteten Zunahme von »Point-of-Care« und dezentralen Diagnoselösungen höchst relevant ist, nicht nur im Kontext von SARS-CoV-2. Daher scheint es marktrelevant und zwingend notwendig, Spezifitätstests und Protokolle als Referenz aufzubauen und anzubieten, die diese Lücke nicht nur für Antigentests auf respiratorische Viren schließen. Um dies zu gewährleisten, ist die Etablierung neuer Methoden erforderlich, die der Prüfung und Verbesserung neuer Diagnostika zugutekommen.
Aus diesem Grund sollen diverse klinische Proben gesammelt werden, um beispielsweise, aber nicht ausschließlich, molekularbiologische Techniken auf DNA- und RNA-Ebene zu etablieren und anzuwenden, um Erreger- und Kontaminationsspektren nachzuweisen. Die Sequenzierung des Humangenoms wird hierbei ausdrücklich ausgeschlossen.
»Zwillingsmaterialien« für realistische Spezifität und Sensitivitätstestungen
Die Sequenzierung der DNA und RNA aus respiratorischen Proben sowie aus Stuhlproben und Zervixabstrichen dient der Analyse der Erregerspektren (Kommensalen wie pathogene Erreger) sowie der Identifikation möglicher Kreuzreaktivitäten. Zudem wird die quantitative Zusammensetzung im Hinblick auf das Vorhandensein verschiedener Sequenzen untersucht und abgebildet. Diese Ergebnisse werden verwendet, um eine in silico (computersimulierte) »Zwillings-Datenbank« mit allen erhaltenen Genom- und Transkriptomsequenzen zu erstellen. Zusätzlich wird künstliches biologisches Zwillingsmaterial erstellt, das der humanen Matrix (z. B. Nasensekret) möglichst identisch ist und als Spezifitätskontrolle dient.
Die Verfügbarkeit von In silico- und biologischen Zwillingen ermöglicht in Zukunft die Durchführung von Spezifitätstests und die Kontrolle der korrekten Probennahme im Rahmen von »Home-Sampling«-Ansätzen. Dies kann durch die Identifizierung von Biomarkern erreicht werden, die zur Überprüfung der Zusammensetzung und Qualität des erhaltenen Materials verwendet werden könnten.
Die »Zwillingsmaterialien« eignen sich für Spezifitätstestungen in silico und im Labor, sowie für Sensitivitätstestungen. Sie enthalten die tatsächlich auftretenden Störsequenzen und Produkte der biologischen Proben. Dies resultiert aus der Zusammenstellung des Materials sowie durch die quantitative Repräsentanz in silico.
Weiteren Studien, beispielsweise Biomarkersignaturen zur vereinfachten und schnelleren Diagnose bestimmter Erkrankungen, wie etwa Endometriose, sind in Planung.
Bündelung der Fraunhofer CIMD Kompetenzen
Für die Realisierung des Projektes werden eine Vielzahl von Kompetenzbereichen des Fraunhofer CIMD vereint. Im Bereich Biomarkeranalyse und – Entwicklung werden die Expertise im Bereich der Etablierung simultaner Analysen im Mensch (Host) und Pathogen sowie das komplexe Zusammenspiel beider Partner (Host-Pathogen-Interaction) genutzt. Darüber hinaus werden die Expertisen im Bereich Sequenzierungen und die OMICs Plattformen einbezogen, sowie die Kompetenzen und Synergien im Bereich »Lab-on-a-chip«, der Bioanalytik und der klinischen Forschung genutzt.
Ausblick
Die Nutzung der in silico Datenbanken sowie die biologischen Zwillingsmaterialien können zukünftig die molekulare Diagnostik im Rahmen von Spezifitäts- und Sensitivitätstestungen verbessern. Die hergestellten künstlichen Matrizes (biologische Zwillinge) sollen beispielsweise in Form von »Lab-on-a-chip Plattformen« zur parallelen Detektion von Pathogenen genutzt werden. Dazu bedarf es zunächst weiterer Forschungsarbeiten beispielsweise hinsichtlich der Validierung der biologischen Zwillingsmaterialien. Im Bereich der Biomarkerforschung ist es zudem von entscheidender Bedeutung, zukünftig gewonnene Erkenntnisse auch auf anderen Plattformen wie der q/RT-PCR zu etablieren, um sie für die klinische Anwendung nutzbar zu machen.